In der beschaulichen Stadt Neuss, wo Tradition und Brauchtum noch hochgehalten werden, erlebte man heute einen Akt kultureller Barbarei, der selbst den stoischsten Rheinländer aus der Reserve locken könnte. Ein Denkmal, das zwei stolze Grenadiere in ihrer ganzen Pracht zeigt – Symbole lokaler Geschichte und Verbundenheit – wurde von Vandalen mit Farbe attackiert. Ein trauriger Tag für alle Freunde des Althergebrachten, könnte man meinen.

Doch halt! Bevor wir unsere Tränen trocknen können, eilt die lokale CDU zur Rettung. Mit der gebührenden Dramatik eines Shakespeare-Dramas nutzen sie diesen Vorfall, um den kulturellen Super-GAU auszurufen. Der Farbangriff auf die Grenadiere wird nicht etwa als Vandalismus, sondern als Anschlag auf die Grundfesten unserer Gesellschaft gedeutet. Man könnte fast glauben, die Farbtöpfe enthielten nicht Acryl, sondern flüssiges Anarchie-Symbol.

Die CDU in Neuss hat keine Mühe gescheut, uns zu versichern, dass dieses Ereignis nicht einfach ein Fall von Sachbeschädigung ist. Nein, es ist ein Fanal, ein Vorzeichen für den Untergang des Abendlandes, ein kulturpolitisches 9/11. Mit jedem Pinselstrich sehen sie die Verfassung wanken, die Demokratie erzittern und die Freiheit in ihren Grundfesten erschüttert.

Doch während die CDU in heldenhafter Übertreibung die Verteidigung des Abendlandes organisiert, mag der ein oder andere Neusser sich fragen, ob die Reaktion vielleicht ein klein wenig übertrieben ist. Ist das Denkmal vielleicht doch nicht der Nabel der Welt? Könnte es sein, dass die Demokratie auch einen Farbklecks überlebt? Und ist es möglich, dass diese ganze Aufregung vielleicht eher politisches Kalkül ist als echte kulturelle Empörung?

Wir sollten dankbar sein, dass die lokale CDU so wachsam ist. Wer weiß, vielleicht ist der nächste Farbangriff nicht nur auf ein Denkmal, sondern direkt auf das Grundgesetz gerichtet. Schlafen wir also ruhig, Neuss. Die Wächter unserer Kultur sind unermüdlich für uns im Einsatz. Mögen die Grenadiere bald wieder in ihrem ursprünglichen Glanz erstrahlen – frei von zynischer Instrumentalisierung und politischem Theater.

About the Author: Patrick Arnold

Patrick Arnold ist Komponist, Sounddesigner und visual artist. In seiner Arbeit finden sich stets klare und zumeist minimalistische Konzepte. Ob Musiker, Designer, Künstler oder Entwickler, die Inspiration durch Extreme ist der Kern, auf dem seine Arbeit beruht. Patrick Arnold realisiert Auftragsproduktionen im Rahmen seiner Partnerschaft mit Philipp Reimann als KlangKönner und audiovisuell im Rahmen von Film:Kultur. Für ihre Arbeit wurden sie mehrfach national und international ausgezeichnet, zuletzt mit einer Nominierung für den deutschen Grimme-Preis.

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